Interview-Studie zu Stressfolgesyndromen
#7
Also hier möchte ich doch nochmals kurz etwas anfügen.

Was hier aufgeworfen wird, hat 2 Teilaspekte:

- einerseits sind wir durch unsere Geschichte, durch das, was wir erlebt haben, in unserer Persönlichkeit geschädigt worden, wir wurden nicht geachtet, nicht respektiert, nicht geliebt, vielleicht missbraucht, vielleicht auch ganz real in unserer physischen Existenz bedroht.
Daraus erklärt sich, und das völlig gerechtfertigt - das möchte ich ganz klar sagen - unser Bedürfnis nach Schutz, Berechenbarkeit und vorallem auch Vertraulichkeit. Wir schützen uns, oft über die notwendigen Masse vor weiteren Verletzungen und Schädigung unserer menschlichen Integrität.
Für viele von uns ist verständlicherweise schwierig, Vertrauen zu fassen; selbst wir hier unter uns haben manchmal Mühe, einander zu vertrauen, weil es Missverständnisse gibt, weil jemand getriggert wird, was meist ohne irgendeine böse Absicht geschieht.
Das ist die eine Seite: das Bedürfnis nach Schutz - vereinfachend ausgedrückt.

- andererseits aber können wir doch nicht erwarten, Unterstützung zu erhalten, wenn wir in unserem Cocon bleiben wollen. Wagen wir nicht, mit dem Risiko ggf. erneut verletzt zu werden, den Schritt nach draussen, werden wir immer in diesem Stillstand, der durch das, was uns widerfahren ist, entstanden ist, verharren müssen. Wir werden auf diese Art immer die Gefangenen unserer Geschichte bleiben.

Es ist sicherlich korrekt, dass die Teilnahme an einer solchen Studie das Risiko einer plötzlichen Dekompensation nicht ausschliessen kann, geschweigen denn auffangen kann, sollte dieser Fall eintreten. Aber wenn wir genau hinsehen, werden wir bemerken, dass uns das jederzeit und überall passieren kann.
Es kann uns selbst im vertrauten und geschützten Bereich des Forums hier passieren, es kann uns passieren, wann immer wir unseren Shelter verlassen und uns in die Welt da draussen begeben.
Diese Tatsache ist kein Spezifikum einer wissenschaftlichen Studie. Freilich gibt es aufgrund der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den Punkten unseres Daseins, wo wir am verletzlichsten sind, ein grösseres Risiko als in anderen alltäglichen Situationen.

Aber werdet euch gewahr, in eurem eigenen Interesse, dass das Leben ganz allgemein, immer das Risiko mit sich bringt, dass es uns aufgrund bestimmter Ereignisse plötzlich schlecht geht, dass wir das, was wir einst erduldet haben, wiedererleben, sich die Vergangenheit wieder in unser Bewusstsein drückt.

Das ist so, es ist schlimm, jede/r von uns weiss, wie es sich anfühlt, wie unerträglich es dann oft ist.

Aber, so hart es auch klingen mag: es gibt keine Alternative zum Leben. Das Leben, welches wir haben, ist der einzig verfügbare Spielraum, den es für jeden einzelnen von uns gibt. Nur dort können wir selbst zum Akteur werden und versuchen, unser Schicksal in die eigenen Hand zu kriegen und das, was uns angetan wurde zu bändigen, uns aus den Fängen des Erlebten sowie derjenigen, die es uns angetan haben, zu befreien.

Jede/r von uns wird immer mal wieder mit einer Unternehmung scheitern; aber nicht zu wagen, gegebenenfalls zu scheitern, versperrt uns a priori die Möglichkeit eben auch einmal zu gewinnen, zu reüssieren mit dem, was wir wirklich wollen.
Das ist verdammt harte und streckenweise schmerzhafteste Arbeit, aber nur so haben wir die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

Bedenkt das einfach immer, völlig egal, ob ihr an einer solchen Studie teilnehmen wollt oder nicht.
Man weint nicht, weil man schwach ist, sondern weil man zu lange stark sein musste.
Die schlimmste Art, einen Menschen zu vermissen, ist, neben ihm zu sitzen und zu wissen, dass er niemals wieder Teil deines Lebens sein wird.
Es ist Zeit zu gehen, wenn man sich die zentrale Frage 'Bist du wirklich für mich da?', mit 'Nein' beantwortet.
Geschichten aus einem beschädigten Leben
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Interview-Studie zu Stressfolgesyndromen - von merlin2023 - 10.05.2023, 08:59
RE: Interview-Studie zu Stressfolgesyndromen - von ssri - 10.05.2023, 15:52
RE: Interview-Studie zu Stressfolgesyndromen - von merlin2023 - 10.05.2023, 19:06

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Online-Studie mit Vergütung christin.jeg 1 1.956 28.07.2021, 18:25
Letzter Beitrag: Celestine
  Online-Studie zu Kindheitserfahrungen und Persönlichkeitseigenschaften FranziBee 0 8.856 19.06.2021, 13:33
Letzter Beitrag: FranziBee
  Interview karin137 0 4.562 10.10.2014, 09:18
Letzter Beitrag: karin137
  Interview: Umgang der Krankenkassen mit Missbrauchsopfern Celestine 3 8.755 06.11.2012, 20:41
Letzter Beitrag: Trauerweide