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Mein Abschied vom Himmel - Druckversion

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Mein Abschied vom Himmel - ssri - 31.01.2018

Nachdem ich nun im letzten Viertel des Buches, und damit entgültig im Themenbereich des Forums angekommen bin, möchte ich euch darauf aufmerksam machen:

Mein Abschied vom Himmel von Hamed Abdel-Samad

Die einen oder anderen von euch kennen ihn vielleicht aus den Medien als kritischen Beobachter der Islamischen Welt.

Er berichtet direkt in der Ich-Form über das Leben, das Aufwachsen in Ägypten, wie er mit 4 zum ersten Mal von einem 15-jährigen vergewaltigt wird, die Gratwanderung zwischen der eigenen Sexualität, dem Bedürfnis nach Freiheit und den konservativ-religiösen Vorstellungen seiner Umwelt, den inneren Konflikten schon in seiner Heimat und dann später in Deutschland, wo er Borderline attestiert bekommt, hochgradig psychotisch in der geschlossenen Psychiatrie landet und entmündigt wird, seinem Besuch bei seiner Familie in der Heimat und dem Versuch, seine Schwester davon abzuhalten, ihre eigene Tochter zu beschneiden - so wie es leider immer noch Tradition ist in Ägypten.

Ich war wirklich gefesselt von seiner Erzählung, musste aber einige Male das Buch beiseite legen, weil es mir zu nahe gegangen ist. Nicht nur erkennt man durch seine Worte die gewaltigen Unterschiede in den Kulturen, nein, auch wie sich das Wandeln zwischen den Kulturen und ihren eigenen Vorstellungen von Moral, Ethik und gesellschaftlichen Werten für das Individuum anfühlt, vermag man zu spüren.

Es ist kein einfaches Buch, es ist nicht per se traumaspezifisch, aber es ist sehr lesenswert.


RE: Mein Abschied vom Himmel - Mizhu - 01.02.2018

Beim Lesen über sein Leben (wikipedia) bekomm ich Schweißausbrüche.
Ist da schon ein Drehbuch geplant?


RE: Mein Abschied vom Himmel - ssri - 01.02.2018

Ich glaub, so sehr verkauft er sich dann doch nicht; aber heftig ist seine Erzählung schon.

Ich hab das Buch besorgt, weil es mich interessiert hat, wie jemand aus einem anderen Kulturkreis mit den Phänomenen, über die wir hier immer mal wieder reden, umgeht; ich wusste, dass er einer der wenigen kritischen Denker aus diesem Kulturkreis ist, der auch in deutsch schreibt.


RE: Mein Abschied vom Himmel - lilli - 01.02.2018

lieber ssri
na da liest du aber schwere kost.
habe tante google mal gefragt und habe herraus gefunden, das es seit einem jahr
als straftat gilt und mit 15 jahren haft bestraft wird.
das in ägypten frauen beschnitten wurden bis vor kurzen, war mir so gar nicht bewusst.
wie können dann frauen in ägypten urlaub machen? oder europäer an sich? in einem land am pool liegen, wo frauen verstümmelt werden?
wir hatten mal eine frau bei uns die beschnitten und zugenäht war. das war eine sieben stunden op.
ja und was unsere plastischen chirugen geleistet haben, war schon eine hausnummer.
es ging darum zu retten, was zu retten war. das war meine erste und auch letzte op in der plastischen chirugie.
ausser hand und fuss ops, weil ich in der orthopädie gearbeitet habe und da ist es selten, das wir einen plastischen chirugen hinzu gegzogen haben.
diese op, hat alle ziemlich mitgenommen. das war im gegensatz zu der frau natürlich nichts.
wer kommt nur auf so eine bescheuerte idee? warum können mutter das bei ihren töchtern zulassen?
glaube, das werde ich nie verstehen und eigentlich möchte ich das auch nicht.
:wut::wut::wut:


RE: Mein Abschied vom Himmel - ssri - 01.02.2018

Liebe Lilli

Was er da zum Thema Frauenbeschneidung schreibt, ist abartig - das hat mir auch ganz grausam reingehauen. Und er schreibt auch, dass es dieses Gesetz gibt, aber dass sich niemand daran hält und die Tradition ungehindert fortgesetzt und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Er schreibt aber auch, dass es sich dabei um eine vorislamische Tradition handelt, die selbst von koptischen Christen in Ägypten befolgt wird - leider.
Ich hab in einem Le Monde Diplomatique gelesen, dass es in Ägypten die für den gesamten afrikanischen Kontinent höchste Zahl an beschnittenen Frauen gibt - weit über 95% - das ist unglaublich!
Ich verstehe auch nicht, wie man in dem Land Ferien machen, unbekümmert sich am Strand wälzen kann, wenn man gleichzeitig im Kopf haben muss, was dort abgeht.
Allgemein beschreibt er die Degradierung der Frauen, die allgegenwärtige Gewalt gegen sie, das Hochhalten ihrer Unbeflecktheit, das soweit geht, dass eine vergewaltigte Frau ihren Vergewaltiger heiraten muss, weil sie nicht mehr unbefleckt ist.
Man merkt immer wieder, wie zerrissen er ist zwischen den grundlegenden Gefühlen von Menschlichkeit und Gerechtigkeit und doch auch Gefangener der Kultur und Gesellschaft, in der er aufgewachsen ist; das Schwanken zwischen sich selbst finden und gleichzeitig Gefahr laufen, sich zu verlieren.